Gesundheit heute

Sexuelles Desinteresse

Sexuelles Desinteresse (Unlust, [umgangssprachlich] Libidomangel, sexuelle Inappetenz, Appetenzmangel, veraltet auch: Frigidität): Kaum vorhandenes oder fehlendes sexuelles Interesse und Verlangen. In den meisten Fällen zeigt sich sexuelles Desinteresse als Wechselwirkung zwischen beiden Partnern. Die Partner ziehen sich aus Angst, für den anderen nicht mehr attraktiv und begehrenswert zu sein, voneinander zurück, bis schließlich jede Form von Zärtlichkeit und Sexualität erkaltet. Jede dritte Frau zwischen 18 und 59 Jahren leidet, meist nur zeitweilig, unter Libidomangel.

Ständiger Druck des Partners, eigene Leistungsansprüche oder ein gestörtes Körpergefühl können die Lust auf sexuelle Handlungen vermindern. Aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus oder aus Angst vor Konflikten machen viele Frauen trotzdem beim Geschlechtsverkehr mit. Das Sich-Einlassen auf Sexualität ohne das Gefühl dies zu wollen, verstärkt die Unlust. Häufig liegt jedoch kein dauerhaftes sexuelles Desinteresse vor. Stattdessen gibt es in der Partnerschaft unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich Sexualität und Körperkontakt, welche zu Frustrationen und erst in der Folge zu einer Abnahme des sexuellen Interesses führen.

Überdies mindern auch körperliche und psychiatrische Erkrankungen, hormonelle Störungen wie die Wechseljahrsbeschwerden oder Nebenwirkungen von Medikamenten das sexuelle Verlangen.

Im Gegensatz zum sexuellen Desinteresse, welches mit einem Leidensdruck verbunden ist, bezeichnet die Asexualität ein vollständiges Fehlen sexueller Lust ohne darunter zu leiden. Über die genaue Definition und die Häufigkeit besteht in Expertenkreisen weithin Uneinigkeit. Menschen mit fehlendem Wunsch nach genitaler Sexualität berichten jedoch wie alle anderen Menschen, die selben psychosozialen Grundbedürfnisse nach Geborgenheit, Akzeptanz, Vertrauen und Nähe zu haben. Beziehungsprobleme sind vorprogrammiert, wenn ein asexueller Mensch in einer Partnerschaft lebt und die sexuellen Wünsche und Bedürfnisse des Partners nicht erfüllen kann oder will. [803]

Im Gegensatz zur häufig gleichgültigen Haltung des sexuellen Desinteresses handelt es sich bei der sexuellen Aversion um eine gesteigerte Abwehrreaktion. Bei den Betroffenen besteht eine extreme Abneigung gegenüber sexuellen Annäherungen und Kontakten, die auf eine aktive Vermeidung jeglichen Sexualkontakts, einschließlich Berührungen und Küssen hinauslaufen kann. Symptomatisch sind Gefühle von Abscheu, Furcht oder Ekel, bei Personen mit starker Aversion können in sexuellen Situationen auch Panikattacken, Ohnmacht, Übelkeit, Herzklopfen, Schwindel und Atembeschwerden auftreten.

Therapie. Sexuelles Desinteresse kann sehr viele verschiedene Ursachen haben und auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Möglicherweise zu Grunde liegende körperliche Erkrankungen sind vom Arzt vorrangig auszuschließen. Es gilt auch zu unterscheiden, ob die Betroffene generell, also „schon immer", an Sex wenig interessiert war oder ob sich die Problematik erst in der aktuell bestehenden Beziehung ergeben hat. Oft geben eine Sexualberatung in Form von Paargesprächen oder bei gravierenderen Störungen eine Sexualtherapie gute Hilfestellung.

Zur medikamentösen Behandlung wird der Alpha-2-Rezeptor-Blocker Yohimbin eingesetzt. Er wirkt im zentralen und peripheren Nervensystem und unterstützt die genitalen Erregungsmechanismen. Auch das in Deutschland zur Nikotinentwöhnung zugelassene Bupropion ist ein Antidepressivum mit nachweislich appetenzsteigernder (lustfördernder) Wirkung.

Von: Dr. med. David Goecker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Zurück

Aktuelle Beiträge zum Thema

  • Mittel gegen Bettnässen
    Was macht Desmopressin?

    Nächtliches Einnässen ist bei Kleinkindern normal – kann bei älteren Kindern aber die Familie belasten. Wie wirkt das Medikament Desmopressin?

    Scham als Folge

    Nächtliches,…

    mehr

  • So pflegt man das Stimmband
    Stimme in Not

    Wer im Alltag viel und womöglich oft auch laut sprechen muss, dem drohen Stimmprobleme wie Heiserkeit oder Stimmversagen. Mit der richtigen Stimmbandpflege lässt sich dagegen…

    mehr

  • Durch KI das Koloskopieren verlernt
    Verschlechterte Diagnostik

    Künstliche Intelligenz hat auch ihre Nachteile: Wenn Ärzt*innen sich bei der Diagnostik zu sehr darauf verlassen, verlernen sie schnell, selbst verdächtige Befunde zu erkennen. In…

    mehr

  • Was nutzt die Gürtelrose-Impfung?
    Guter Schutz bestätigt

    Wer als Kind Windpocken hatte, der erkrankt später möglicherweise ein zweites Mal – dann an einer oft sehr schmerzhaften Gürtelrose. Eine Impfung soll zumindest ältere Menschen…

    mehr

  • Antibiotika korrekt einnehmen
    7 Tipps für den richtigen Umgang

    Multiresistente Keime sind derzeit in aller Munde. Bei diesen Erregern wirken die meisten Antibiotika nicht mehr. Expert*innen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände…

    mehr

  • Ketamin als Stimmungsaufheller?
    Kein Langzeiteffekt

    Depressionen sind manchmal schwer zu behandeln. Große Hoffnungen wurden auf die Infusion von Ketamin gesetzt. Nun zeigt sich aber, dass diese Behandlung wahrscheinlich keinen…

    mehr