Gesundheit heute

Wissenschaftlich belegte Wirkung von Antioxidanzien

Seriöse Untersuchungen haben widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich der tatsächlichen Wirkung antioxidativer Therapien ergeben. Hier ein paar Beispiele:

  • In einer als „Finnische Raucherstudie“ bekannt gewordenen Untersuchung konnte das Risiko für Lungenkrebs durch die hoch dosierte Gabe von Vitamin A nicht gesenkt werden, vielmehr stieg es sogar an. [C07] Ähnliche Ergebnisse fanden sich bei der hoch dosierten Gabe von Vitamin E und Beta-Karotin [C08].
  • Hinsichtlich Herz- und Gefäßerkankungen zeigten Längsschnittstudien über viele Jahre zwar einen positiven Effekt von Antioxidanzien, der allerdings bei placebokontrollierten Studien nicht bestätigt werden konnte [C09].
  • In bestimmten Stadien der altersabhängigen Makuladegeneration, einer häufigen Erblindungsursache im Alter, konnte dagegen ein positiver Effekt einer Kombinationstherapie hoch dosierter Vitamingaben (500 mg Vitamin C, 400 IE Vitamin E, 15 mg Beta-Karotin und 80 mg Zink als Zinkoxid pro Tag) in einer placebokontrollierten Studie nachgewiesen werden [C10].
  • 200–600 mg Vitamin E wirken sich bei der Vorsorge gegen die Parkinsonkrankheit und Multiple Sklerose offenbar positiv aus. [C12] Eine weitere Veröffentlichung [C11] beschreibt eine Schutzfunktion hoch dosierter Vitamine gegen die Alzheimerdemenz.

Erklärungsansätze für diese widersprüchlichen Ergebnisse betreffen das Studiendesign (also die Frage, wie die Studie angelegt ist), denn es wurde lediglich eine Substanz mit antioxidativer Wirkung verabreicht. Immer mehr Wissenschaftler glauben, dass Antioxidanzien ihre Wirkung weniger als Einzelsubstanz, sondern nur in Form eines „antioxidativen Netzwerks“ entfalten. Einzelsubstanzen oder begrenzte Kombinationen bleiben unwirksam. In diesem Sinn scheint eine insgesamt antioxidative Ernährung positive Effekte zu haben. So zeigen zwei große Studien, dass eine an Gemüse reiche Ernährung den kognitiven Verfall im Alter abbremsen kann. [C13; C14].

Aus den bisherigen Studien kann keine allgemeingültige, evidenzbasierte (beweisgesicherte) Empfehlung zur antioxidativen Anti-Aging-Therapie abgeleitet werden. Die Anzahl von Substanzen mit antioxidativer Wirkung wird im Allgemeinen mit mehreren Tausend angegeben. Viele davon sind sekundäre Pflanzenstoffe wie Karotinoide und Flavonoide. Eine obst- und gemüsereiche Ernährung trägt deshalb möglicherweise mehr zum Bremsen der Alterungsprozesse bei als begrenzte (Einzel-)Vitamingaben.

Sinnvoll sind jedoch Antioxidanzien, wenn persönliche Risiken bestehen, etwa eine durch eine Magen-Darm-Erkrankung bedingte Aufnahmestörung für bestimmte Nährstoffe. Auch dort, wo positive Effekte durch gute Studien belegt sind, etwa bei der Verhütung der altersabhängigen Makuladegeneration, kann die Einnahme sinnvoll sein. Allerdings: Wie sich diese Dosierungen auf andere Erkrankungen auswirken – ob positiv oder negativ – ist unklar.

Gesundheitsschädigend wirken sich antioxidative Therapien besonders dann aus, wenn aufgrund ihrer vermuteten Wirksamkeit auf andere erwiesene Präventionsmaßnahmen wie Raucherentwöhnung verzichtet wird. Antioxidative Wirkstoffkombinationen werden beispielsweise als Rauchervitamine verkauft. Damit wird suggeriert, dass die schädigenden Wirkungen des Rauchens wenigstens teilweise aufgehoben werden könnten. Dies ist ein Irrglaube.

Von: Dr. med. Georg Betz, Dr. med. Herbert Renz-Polster, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).

Zurück

Aktuelle Beiträge zum Thema

  • Wie teuer ist die Menstruation
    Zusatzbelastung für Frauen

    Zwischen 10 000 und 17 000 Tampons oder Binden verbraucht eine Frau in ihrem Leben. Die Periode ist also nicht nur lästig, sondern auch ein echter Kostenfaktor.

    7000 Euro für die…

    mehr

  • OP hilft bei schwerem Bluthochdruck
    Wenn Medikamente nicht reichen

    Was tun, wenn ein hoher Blutdruck partout nicht in den Griff zu bekommen ist? Eine Option ist die Durchtrennung der Nierennerven. Dieser kleine Eingriff hilft bei vielen…

    mehr

  • So schluckt das Baby seine Arznei
    Spritze statt Löffel

    Der Geschmack ist oft übel, die Dosierung knifflig — Kleinkindern und Babys Medikamente zu verabreichen, ist gar nicht so einfach. Folgende Tipps machen es Kindern und Eltern…

    mehr

  • Gekreuzt: Pollen und Nahrungsmittelallergien
    Zum Verwechseln ähnlich

    Wen es während der Birkenblüte in der Nase juckt, der reagiert häufig auch auf Nüsse und Äpfel allergisch. Solche allergischen Kreuzreaktionen sind keine Seltenheit. Was bedeutet…

    mehr

  • Superfood Hülsenfrüchte
    Das steckt in Linsen, Bohnen, Erbsen & Co.

    Wer Nahrungsmittel mit „Superkräften“ sucht, muss nicht unbedingt zu Chia-Samen, Quinoa oder anderen Import-Nahrungsmitteln greifen. Richtig viele gesunde Inhaltsstoffe haben auch…

    mehr

  • Doch keine Gefahr für Baby´s Gehirn?
    Paracetamol in der Schwangerschaft

    Schadet es dem Baby, wenn die werdende Mutter Paracetamol einnimmt? Vor einigen Jahren gab es Hinweise darauf, dass dem Kind dadurch Autismus oder eine geistige Behinderung drohen…

    mehr